Eine Kirche als Bücherei? Ein ganzer Öko-Stadtteil auf einem ehemaligen Brauereigelände? Luxuriöses Wohnen in einer alten Schwimmhalle, Leben in einem „zweckentfremdeten“ Wasserturm? Willkommen in der Welt der Wiederverwendung alter Bauwerke, englisch „Adaptive Reuse“. Der Trend zur adaptiven Nachnutzung geht nicht selten einher mit Gentrifizierungsprozessen (s. BLOG-Artikel) und bedeutet zunächst eine Umwidmung von Bauwerken für einen neuen, nicht mehr mit dem ursprünglichen Zweck ihrer Errichtung in Verbindung stehenden Nutzen. Dass innovative Nachnutzungs-Konzepte mit dem Fokus auf Erhalt architektonisch und kulturell erhaltenswerter Bauwerke, der Verringerung von innerstädtischem Leerstand, dem nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen zeitgemäß und soziokulturell wertvoll sind, liegt auf der Hand.
Die schönste Buchhandlung der Welt steht wohl in Maastricht: Dank vieler erstaunlicher und kreativer Nutzungsideen im Zuge von Adaptive Reuse Projekten finden leerstehende Industriehallen, Kaufhäuser, Bürotürme und architektonische Klein-Ode weltweit eine neue Zukunft. Besonders erfinderisch zeigen sich Architekten und Stadtplaner in den Niederlanden. Herausgestellt sei das oben angesprochene Projekt, das besonders Furore gemacht hat: Der Umbau einer Dominikanerkirche aus dem 13. Jahrhundert in Maastricht. Merkx und Girod Architekten renovierten äußerst aufwendig: Das Ergebnis ist laut „The Guardian” sowie der Fernsehsender CNN und BBC nun die „schönste Buchhandlung der Welt“.
Mittlerweile gehört es fast zum guten Ton, größere, besondere (Firmen-)Feiern oder Jubiläen in den dem Anlass entsprechenden, besonderen (Event)Locations auszurichten. Barbara Jaeschke nahm sich beispielsweise eines alten, stark in Mitleidenschaft gezogenen Stadtbads in Berlin an: Für die beispielhafte Sanierung und Nachnutzung als Eventlocation für große Bankette erhielt sie den Denkmalpflegepreis „Ferdinand-von-Quast-Medaille 2017“ und wurde zur „Berliner Unternehmerin des Jahres 2016“ gewählt. Aber man muss gar nicht so weit reisen auf der Suche nach gelungenen Beispielen: „50 Jahre WEGRAZ“ feierten wir in Graz, in der „Seifenfabrik“, einer trendig neu-genutzten Industrie-Location. Auch der Trend, alte Bahnstrecken mit neuem Leben zu versehen, hält ausgehend von Manhattan und seinen stillgelegten Hochbahnstrecken ungebrochen an: Parks oder auch Urban Gardening – eine nachhaltige Neu- und Nachnutzung, die auch positive Auswirkungen auf das innerstädtische Mikroklima hat (s.a. https:/
Generell hat das Konzept der Weiterverwendung bedeutsame Vorteile – aus nachhaltiger, sozialer und städtebaulicher Perspektive. Nachhaltigkeit entsteht ja nicht nur aufgrund möglicher mikroklimatischer Effekte, wie bei den eben erwähnten Hochbahnprojekten. Hier spielen auch der Aspekt der Reduktion von Bodenversiegelung oder (Neu-)Ressourcenverbrauch eine Rolle, wodurch sich eine raschere Kompensation der Auswirkungen des Bauprozesses ergibt.
„Nachnutzung ist eine Strategie zur flexiblen Umnutzung bestehender Bauten, die von Vernunft, Verantwortung und Nachhaltigkeit zeugt,“ schreibt Sarah Jones, Redakteurin bei Redshift für Architektur, Ingenieur- und Bauwesen. Mit Flexibilität und mit Bedacht lassen sich erstaunliche, beeindruckende Projekte umsetzen, wie die hier erwähnten und viele weitere Beispiele eindrucksvoll untermauern. Flexibilität ist dabei von allen Involvierten gefordert, von Behörden wie dem Denkmalschutz, Planern, Baufirmen und den – neuen – Nutzer:innen. Das Leben und Erleben in den dann entstandenen neuen alten Räumen machen die Anstrengungen im Vorfeld allemal wieder wett.
Zum Nachlesen (fakultativ):
Innovative Umbauprojekte
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Nachnutzung: Neues Leben für ausgediente Gebäude
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Alte Bauwerke – neu genutzt