
Müssen es teure, große und aufwändige Gebäude sein, um einen „Bilbao-Effekt“ (s. Glossar) auslösen zu können? Können „Tempel der Hochkultur“ nur in Großstädten ihre Wirkung entfalten? Sieht man sich das Guggenheim Museum in Bilbao als Auslöser des genannten Effekts an oder die Elbphilharmonie in Hamburg, die Louis Vuitton Zentrale in Paris u.v.m. könnte man meinen: Signature Buildings sind nur etwas für Großstädte. In unserer postindustriellen Welt muss aber jede Stadt, egal welcher Größe und in welcher Lage, darauf bedacht sein, als Lebens-und Wirtschaftsstandort attraktiv zu sein – denn Tourismus und Kreativwirtschaft werden als Wirtschaftsmotoren immer wichtiger. So machen manche Orte von sich reden, die (bisher) nicht auf den klassischen „Städtetrip-Bucketlisten“ standen, wie zum Beispiel Stettin, Blaibach, Herford oder Dundee. Sie alle bauen auf Signature Buildings. Und beweisen, dass diese herausragende Architektur keineswegs den „Großen“ vorbehalten sein muss.
Bleiben wir in Dundee, einer ostschottischen Küstenstadt, gelegen am Meeresarm Firth of Tay. Hier war ein wirtschaftlicher, postindustrieller Niedergang deutlich zu spüren. Die Stadt musste und wollte sich neu erfinden – und entschloss sich zu einem spektakulären Museums-Neubau nahe der Seemündung des Flusses Tay. Hier stand von 1849 bis 1964 ein Triumphbogen, der sogenannte Royal Arch, der an einen Besuch von Queen Victoria und ihrem Ehemann Prince Albert im Jahr 1844 erinnerte. Dieser wurde 1964 gesprengt, für eine nicht sehr attraktive Uferstraße. Damit verschwand die letzte Erinnerung an die glorreiche Zeit der Industrialisierung. 2014 entstand dann in unmittelbarer Nähe dieses Platzes ein neues Museum für Design, nach den Plänen des japanischen Architekten Kengo Kuma. „Das Victoria and Albert Design Museum soll Sinnbild für einen Aufbruch Dundees in eine ersehnte Zukunft als Stadt der Kreativität werden.“ (Baunetz.de /
Das Konzept ging und geht auf, der Mut der Verantwortlichen wird belohnt: Der fulminante Museumsbau am Firth of Tay ist ein echtes Signature Buildung, fügt sich ein in die neugestaltete Uferlandschaft mit einer großen Esplanade, einem Spielplatz und zwei Cafés. Er ist ein Symbol des neuen Dundees geworden – 40 Prozent aller Museumsbesucher:innen kommen nur wegen der Architektur in die abgelegene Stadt in den schottischen Lowlands.
Neben Museen haben auch Konzerthäuser oder Philharmonien großes Potenzial, ikonischen Charakter und entsprechende „Signature-Strahlkraft“ zu entwickeln. So hat beispielsweise Stettin sich durch seine Philharmonie und ihre mutige Architektur direkt auf die europäische „Städtereise-Bucketlist“ katapultiert. Das beeindruckende Konzerthaus füllte eine Lücke im Stadtbild und in der Kulturlandschaft der Region und wurde 2015 mit dem „Mies van der Rohe Award“, immerhin dem höchsten Architekturpreis Europas, ausgezeichnet.
Diese beiden Beispiele ließen sich mit vielen weiteren Projekten und Objekten ergänzen, die zeigen, wie sich ein Ort aufgrund eines singulären Projekts weiterentwickelt oder sogar neu erfindet. Wer möchte, kann sich das Depot des Museums Boijmans van Beuningen in Rotterdam ansehen oder dem kleinen ostwestfälischen Herford einen virtuellen Besuch abstatten oder im noch kleineren Blaibach tief im Bayerischen Wald vorbeischauen – sie alle haben dank neuer Kulturbauten, dank ihrer mutigen Entscheidungen „Signature Buldings“ zu realisieren, eine große Aufwertung erfahren.
Zum Nachlesen:
Museum in Dundee:
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Philharmonie in Stettin:
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Trend-Begriffe aus der WEGRAZ-Welt: