Im Jahre 1923 verfassten die Schweizer Architekten Pierre Jeanneret und Le Corbusier ein Architekturmanifest mit dem Titel „Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“. Einer dieser Punkte lautete: „Der Dachgarten wird zum bevorzugten Aufenthaltsort des Hauses und bedeutet außerdem für eine Stadt den Wiedergewinn ihrer bebauten Fläche.“ Nutzungskonzepte der „5. Fassade“ gehen mittlerweile weit über private Rückzugsorte hinaus. Die damals schon angesprochene Rolle der Wiedergutmachung für Bodenversiegelung wächst ebenso wie die Möglichkeiten, auf Dächern, vor allem im innerstädtischen Raum, einen positiven Beitrag zum Mikroklima zu leisten.
Die Nutzung von Dächern gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der unsichtbare, zum Himmel gewandte Teil, die „5. Fassade“, bietet vielerlei Nutzen und Lösungsansätze in Bezug auf Wohnraum und (Mikro-)Klima. Zunächst lohnt ein Blick auf die Möglichkeiten, gerade in dicht besiedelten Gebieten zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. QUARTIER, ein deutsches Fachmagazin für urbanen Wohnungsbau, schreibt: „Die Möglichkeiten, den angespannten Wohnungsmarkt (in den Städten, Anm.) zu entlasten, ruhen vor allem auf den Dächern der 1950er- bis 1970er-Jahre-Häuser. Da sie altersbedingt meist kurz vor einer Sanierung stehen, liegt ein paralleler Ausbau quasi auf der Hand.“ Schon vor 5 Jahren stellte die „Deutschlandstudie 2019“ der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts ungenutzten Wohnraum auf bzw. unter Dächern fest. Wenn man den Blickwinkel erweitert, erweitert sich auch das Potenzial. Prof. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt: „Büro- und Geschäftshäuser, eingeschossige Discounter mit ihren Parkplätzen bieten ein enormes Potenzial für zusätzliche Wohnungen – durch Nachverdichtung.“ Diese „vertikale Verdichtung“ steckt voller nachhaltiger Chancen, um neuen Wohnraum in der Stadt zu schaffen, ohne Innenstädte verwaisen zu lassen und ökologisch oft umstrittene Siedlungsprojekte in der stadtnahen Peripherie realisieren zu müssen.
Im August 2023 publizierte die Beratungsfirma PwC gemeinsam mit der Technischen Schule Deggendorf ein Whitepaper zur vertikalen Wohnraumverdichtung. Zentrale Frage: „Ist die vertikale Wohnraumverdichtung in Ballungsräumen eine sinnvolle Maßnahme, den aktuellen und zukünftigen wohnungswirtschaftlichen Herausforderungen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte gerecht zu werden?“ Die Antwort auf diese lange Frage fällt nicht nur in der Analyse dieses Whitepapers kurz aus: Ja. Mittlerweile ist man sich in der gesamten Bauwirtschaft einig, dass die ESG-Kriterien, deren Einhaltung u.a. zur Erreichung der CO2-Ziele unabdingbar ist, nur durch „Umdenken“ und „Umnutzen“ umgesetzt werden können. Hierzu gehören eine neue Kreislaufwirtschaft in der Baubranche (Urban Mining) und das (Um-)Nutzen der 5. Fassade, allerdings nicht nur für Wohnraum.
Neue Nutzungskonzepte auf alter Bausubstanz reduzieren nicht nur die Bodenversiegelung mit all ihren negativen Aspekten oder sparen beim (Neu-)Ressourcenverbrauch. Es lassen sich sogar positive mikroklimatische Beeinflussungsfaktoren schaffen, die aus „Neu auf Alt“ eine echte Nachhaltigkeitsstrategie machen. Dabei spielen die von Le Corbusier angesprochenen „Dachgärten“ eine wichtige Rolle: Es entstehen neue Biotope, man kann Regenwasser zurückhalten, Dächer binden Feinstaub, durch Begrünung werden sie zum Sauerstoffproduzent und verbessern das Mikroklima in urbanen Gebieten. Auch Bienen lassen sich auf Dächern züchten. Und wir konnten unsere Firmenzentrale auf alter Bausubstanz ansiedeln: https:/
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Zum Nachlesen (fakultativ):
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