„Dieser Ort macht mich krank“ – leider wird jeder diesen Ausspruch kennen oder sogar selbst schon einmal verwendet haben. In diesem Beitrag haben wir uns mit der Wirkung von Architektur und Räumen auf die menschliche Psyche beschäftigt und beschrieben, welche Faktoren diese Wirkung positiv beeinflussen können. Eine im wahrsten Wortsinn größere Dimension ist die Frage, was eine ganze Stadt „können“ muss, damit sie ihre Bewohner:innen nicht krank, sondern gesund macht. Diese Frage ist von elementarer Bedeutung für die (Über)Lebensfähigkeit von und in Großstädten, letztlich für den nachhaltigen Bestand unserer Zivilisation.
„Eine gesunde Stadt ist eine Stadt, die danach strebt, das physische, psychische, soziale und umweltbedingte Wohlergehen der Menschen, die in der Stadt leben und arbeiten, zu verbessern.“ (Aus: „Gesunde Städte – Gesunde Menschen“, WHO).
Dass unsere Gesellschaft teilweise weit davon entfernt ist, belegen eine Reihe an Studien: „Das Schizophrenie-Risiko ist bei Stadtbewohnern doppelt so hoch wie bei Landbewohnern“, so Prof. Dr. med. Mazda Adli, Psychiater und Stressforscher an der Universität Berlin. „Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist etwa 1,4-mal so groß.“ Und das Risiko, an Angststörungen zu erkranken, ist in Städten um 21 Prozent höher als auf dem Land. Diese Risiken lassen sich letztlich auf den Faktor „viele Menschen auf wenig Raum“ zurückführen, kombiniert mit dem Umstand einer gewissen sozialen Isolation trotz der hohen Dichte. Eine gesunde Stadt wird ihren Fokus darauf legen, diesen „Social Stress“, wie Prof. Adli es nennt, abzubauen bzw. dessen Entstehung so gut es möglich ist zu verhindern. Und wie? Elizabeth Burton, Forscherin am Institute for Health der Universität Warwick, hat eine erste Antwort: Im Forschungscluster „Wellbeing in Sustainable Environments“ (WISE) schildert sie, dass nicht die bauliche Dichte an sich, sondern ihre Ausprägungen und Formen Ursachen für eine erhöhte Stressbelastung sind. Ein Lösungsansatz läge darin, einerseits soziale Interaktion, andererseits aber auch Rückzug zu ermöglichen. Diese Konfiguration von Stadträumen gilt als Benchmark einer „gesunden Stadt von morgen“. Mit städtischen Erholungsräumen und Begrünung allein ist dies nicht zu erreichen. Die Arbeit für Städteplaner:innen ist umfassend – und dringend.
Wie dringend diese Arbeit, die Planung und Umsetzung von „gesunden Städten“ ist, zeigt eine Studie von AFRY, einem national und international tätigen Beratungs-Unternehmen in den Bereichen Engineering und Design: Laut dieser Umfrage wollen nur 12 Prozent der jungen Menschen in Großstädten mit mehr als einer Million Einwohner:innen leben. Mehr als 60 Prozent der Befragten antworteten, dass Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung sei, wo sie leben wollen.
Wie baut man nun Städte und gestaltet bauliche Agglomerationen so, dass sie jungen Menschen lebenswert scheinen? Welche Kriterien müssen lebenswerte Wohnräume auch für ältere Generationen erfüllen, damit eine gesunde Stadt entsteht, in der nach WHO Gesundheit und Wohlergehen der Bürger:innen im Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses steht? Und es sich gesund leben lässt?
Die umfassenden Qualitäten einer gesunden Stadt sind im „Leitfaden zur Entwicklung eines Gesunde-Städte-Projektes“ der WHO nachzulesen:
Diesem umfangreichen Anforderungskatalog verpflichten sich immer mehr Städte und Gemeinden. Um sich bei Planung und Umsetzung zu unterstützen, gibt es viele Initiativen und Netzwerke, die den Erfahrungsaustausch fördern und zu nachhaltiger Stadtentwicklung beitragen, in Österreich ist das zum Beispiel das „Netzwerk Gesunder Städte“, eine Initiative des Städtebunds. Gefordert sind alle Verantwortlichen und Disziplinen rund um Planung, Architektur, Entwicklung, Verwaltung, Bauwesen und Medizin. Eine spannende Herausforderung, zu deren Bewältigung auch die WEGRAZ mit ihren Projekten und Impulsen einen Beitrag leistet.
Weiterführende Links:
Netzwerke Gesunde Städte in Österreich und in Deutschland
Umfrage AFRY https:/